Unterwegs mit
Werner Künzi, Eismeister in Wengen
Seit 20 Jahren arbeitet Werner Künzi als Eismeister in Wengen – unter anderem. Wir haben den 62-Jährigen bei der Arbeit begleitet.
Es ist noch dunkel, als wir mit dem Zug von Lauterbrunnen nach Wengen fahren. Angekommen auf knapp 1300 m ü. M., machen wir uns auf den Weg zur Kunsteisbahn. Während das autofreie Dorf noch schläft, wird hier bereits fleissig gearbeitet. «Um 10 Uhr kommen die Schotten», erfahren wir von Peter Morgenegg (58). Der Leiter Tourismusanlagen empfängt uns beim Tourist Center, das sich gleich neben der Kunsteisbahn befindet. Er stellt uns sein Team vor, bestehend aus Dario Bischoff (27), Gabor Vida (64) und Werner Künzi (62). Letzterer ist der Dienstälteste. Bereits seit 20 Jahren ist er bei Wengen Tourismus als Mitarbeiter Tourismusanlagen angestellt. Im Winter – von Mitte November bis Mitte März (in der Halle von Mitte Oktober bis Ende März) – sorgt er für das perfekte Eis, im Sommer unterhält er die Minigolfanlage, den Tennisplatz oder die Brätlistellen. «Langweilig wird es uns nie», sagt Werner Künzi. Heute blicken wir ihm bei der Arbeit etwas über die Schultern.
Eingespieltes Team
Schnell wird klar, hier ist ein eingespieltes Team am Werk. Während Werner Künzi mit einer Fräse am Rand der Eisfläche entlang geht, wischt Gabor Vida den Bereich neben dem Spielfeld – und Peter Morgenegg startet die Eismaschine, mit der er gleich seine Runden drehen wird. Dario Bischoff hingegen bereitet bei der Schlittschuhausgabe die Spielkarten für den Wengen Curling Club vor, der hier in rund zwei Stunden mit knapp 50 Mitgliedern aufkreuzen wird. Die Turniere des Clubs haben Tradition – und finden jährlich während zwei bis drei Wochen statt. Dann gehört tagsüber der Grossteil der Eisfläche den 80 bis 100 mehrheitlich schottischen Curlerinnen und Curlern. Der vor über 100 Jahren von vorwiegend britischen Gästen gegründete Club hat in Wengen sogar ein eigenes Clubhaus, gleich neben der Kunsteisbahn. Heute findet für den mittlerweile internationalen Club das letzte Turnier vor der Abreise statt. Ihm gehören nebst britischen auch noch irische, deutsche und schweizerische Curler*innen an.
Vielseitige Arbeit
Doch zurück zu unserem Eismeister-Team. Werner Künzi säubert die Indoor-Eisfläche, die sich unmittelbar neben der offenen Eisbahn befindet «Ich will bereit sein für alle Fälle», sagt er. Der Grund: Wengen befindet sich heute knapp unter der Nebelgrenze, es ist feucht-kalt. Das kann auch Einfluss aufs Curling-Eis haben, durch leichten Niederschlag kann dieses ungewollt glatter werden. Und damit für die mehrheitlich älteren Mitglieder des Wengen Curling Clubs auch gefährlich, spielen sie doch in der Heimat normalerweise in wetterfesten Hallen. «Drinnen wollen wir ihnen eine Alternative bieten.» Ich will von Werner Künzi wissen, was seine Lieblingsbeschäftigung ist. «Das kann ich nicht sagen, ich mag einfach die Vielseitigkeit meiner Arbeit.»
Auftritt der Eismaschine
Das Garagentor öffnet sich. Peter Morgenegg fährt die Zamboni ins Freie. Die Eismaschine ist also Chefsache? Mitnichten! «Bei uns kann jeder alles, das ist auch wichtig, wenn mal einer Ferien hat oder krank ist.» Trocken, ohne Tuch und Wasser entfernt Peter Morgenegg den Schnee, ehe er mit einem schmalen Tuch und Wasser noch einmal seine Runden dreht. Der Schneepflug kann heute in der Garage bleiben, es hat in der Nacht nur wenig geschneit.
Aufwärmen beim Znüni
Für den normalen Eislauf wäre die Arbeit nun getan. Fürs Curling geht sie erst richtig los. Aber vorher gönnen wir uns eine Kaffeepause in der Garage der Eismaschine. «Ein bisschen eine Männerhöhle», entschuldigt sich Peter Morgenegg bei unserer Fotografin. Wir finden es gemütlich. Es gibt Tee und Kaffee – und vor allem ist es schön warm. Eine Wohltat bei den derzeitigen Minustemperaturen. «Du hast mich doch gefragt, welche Arbeit ich am liebsten mache», kommt Werner Künzi noch einmal auf eine Frage von mir zurück. «Genau das, was wir heute machen, das Curling-Eis herrichten», kann er sich jetzt doch noch auf eine Lieblingsbeschäftigung festlegen.
Vom Aaretal in die Jungfrau Region
«Das war wie ein Sechser im Lotto.» Der gebürtige Aaretaler Werner Künzi erzählt, wie es ihn in die Jungfrau Region verschlagen hat. «Meine Frau und ich wohnten in Jaberg und waren auf der Suche nach einem kleinen Landwirtschaftsbetrieb – in Wengen wurden wir fündig.» Genauer gesagt «Am Hubel», etwa 20 Fussminuten ausserhalb des Dorfzentrums. Das war vor 20 Jahren. Mit Ausnahme der ersten paar Monate ist er seither bei Wengen Tourismus angestellt. Vor einem Jahr hat Werner Künzi den Betrieb aufgegeben – und bei Wengen Tourismus auf 90 Prozent aufgestockt. Zur Arbeit kommt er bei fast jedem Wetter mit dem E-Bike.
Eishockeyspielen mit den Skicracks
«Holzen», antwortet Werner Künzi auf die Frage, was er in seiner Freizeit so macht. Ein zwangsläufiges Hobby, heizen doch Künzis mit Holz. «Oder Skifahren», ergänzt er. Und auf «seinem» Eis spiele er auch gerne Eishockey. Mit Freunden, aber auch mal mit prominenten Gästen. Während den Lauberhornrennen vergnügen sich die Skistars abends gerne auf dem Eis. Werner Künzi schwärmt von Bode Miller im Speziellen, von den US-Amerikanern, den Kanadiern, den Italienern oder den Norwegern im Allgemeinen. Diese unkomplizierten, auf dem Boden gebliebenen Skifahrer imponieren ihm. «Das sind jeweils Erlebnisse, die mir viel Energie geben – und mir helfen, mein schlechtes Englisch aufzubessern.» Auch von den Hilfseinsätzen im Vorfeld des Jungfrau Marathons, wenn es gilt, die Markierungen anzubringen, erzählt er noch. Dann ist die Pause auch schon vorbei. Die Arbeit ruft wieder.
Eine Wissenschaft
Peter Morgenegg fährt ein drittes Mal mit der Eismaschine raus, dieses Mal mit dem breiten Tuch – und wieder mit Wasser, ehe Gabor Vida mit dem «Teppich» Restschnee und Staub vom Eis wischt. Danach macht Werner Künzi die sogenannten Pebbles, indem er mit einem speziellen Gerät sehr feine Wassertropfen aufs Eis spritzt. Diese gefrieren sofort, was den Effekt hat, dass das Eis nun nicht mehr vollkommen glatt ist, sondern durch die gefrorenen Wassertropfen eine gesprenkelte Oberfläche aufweist. Die Spitzen der Wassertropfen werden danach mit dem scharfen Messer des «Klippers» abgeschnitten. Et voilà, jetzt kann der Curlingstein schön curlen. «Ja, Curling-Eis zubereiten ist eine Wissenschaft», bestätigt uns auch Peter Morgenegg. Er und sein Team bringen nun noch gemeinsam die Abgrenzungen an, stellen die Ständer für die Spielzettel auf und tragen zu guter Letzt die fast 20 kg schweren Curling-Steine aufs Spielfeld. Dann trudeln auch schon die ersten Mitglieder des Wengen Curling Club ein. Das Turnier kann beginnen.
Im Maschinenraum
Die besten Eismeister sind aufgeschmissen, sollte das Kühlsystem versagen. Grund genug, ein Blick in den Maschinenraum zu werfen, von wo aus Werner Künzi auf 0,1 Grad genau die Kälteanlage der Kunsteisbahn steuern kann. «Hier bin ich mehrmals pro Tag, wie oft genau, hängt vom Wetter ab.» Dieses spielt beim Herstellen vom Eis nämlich eine nicht unwichtige Rolle. «Wenn ich draussen bin, beobachte ich das Eis, schaue ich, wie es sich verhält, ob es im Gegenlicht beschlagen ist oder nicht.» Es gilt, vorausschauend zu sein, zu agieren und nicht erst zu reagieren, wenn die Sonne da ist, der Regen oder Schnee einsetzt oder es zum Temperatursturz kommt. Werner Künzi erzählt vom Schwimmbad, wo im Winter die überschüssige Abwärme der Kunsteisbahn vernichtet wird. Jenes Schwimmbad, in dem Gabor Vida im Sommer als Bademeister arbeitet. Im Moment laufen die Maschinen nicht. Zum Glück, denn wenn dies der Fall ist «verstehst du dein eigenes Wort nicht mehr.»
Schottisches Lob
Mittlerweile ist das Turnier in vollem Gang. Die Spieler und Spielerinnen loben das Eis durchs Band. «Es ist jedes Jahr noch besser. Und das Eismeister-Team hilft uns, wo es nur kann», bekommen wir von allen Seiten zu hören. Werner Künzi und Gabor Vida sind weiterhin auf der Eisbahn zugegen. Verschieben hier eine Abgrenzung, wischen da ein Blatt vom Eis oder helfen mit einer Decke aus. Es sind vielleicht 30 Minuten gespielt, als Unruhe aufkommt. Der dichte Nebel sorgt dafür, dass es feucht wird – und somit die Eisfläche zu glatt. Die Spieler und Spielerinnen wollen in die Halle zügeln. Gut haben die Eismeister diese am frühen Morgen für alle Fälle hergerichtet. Und die über zweistündige Vorbereitung an der Kälte war für Nichts? «Das kommt vor», sagt Werner Künzi ganz gelassen. «Vielleicht versuchen sie es ja am Nachmittag noch einmal.»
Oben blau, unten grau
Während 1000 Meter höher auf dem Männlichen die Sonne scheint (ja, wir haben uns vor Ort davon überzeugt), will sich der Nebel in Wengen nicht auflösen. Britisches Wetter. Es ist Mittag, so schnell die Schotten gekommen sind, so schnell sind sie auch wieder weg. Vorerst. Das Eismeister-Team deckt sicherheitshalber die Steine ab, damit diese nicht warm werden und somit weniger gut laufen. Dario Bischoff bringt derweil die Ranglisten auf den neusten Stand, denn am Nachmittag geht das Turnier weiter.
Nach dem Turnier ist vor dem Turnier
Ohne Zwischenfälle geht der Nachmittag über die Bühne. Kurz nach 16 Uhr kann das Eismeister-Team damit beginnen, die Eisfläche aufzuräumen – und für den freien Eislauf herzurichten. Bis um 18 Uhr ist die Eisbahn noch geöffnet. Kurz danach haben Werner Künzi und Co. Feierabend. Bereits am Wochenende steht das nächste Turnier, ein grosses Turnier, die Open-Air-Schweizermeisterschaft auf dem Programm. Spielbeginn ist bereits kurz nach 8 Uhr. «Um 5 Uhr werde ich auf der Eisbahn sein», sagt Werner Künzi. Ja, Wengen wird noch schlafen, wenn das Eismeister-Team bereits wieder das perfekte Eis herrichtet.
PS. Gar weltmeisterliches Lob für das Eismeister-Team gibt es nach der Schweizermeisterschaft – vom Gewinner Peter de Cruz, dem mehrfachen WM- und Olympia-Medaillengewinner.
Mehr Informationen
Kunsteisbahn Wengen
Fotos: Sina Fuchser
Story: Raphael Hadorn
Winter 2022
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