Oben weiss - unten grün

Plakatausstellung Wengen

Poster 1 - 6

Die majestätischen Gletscher und schneebedeckten Gipfel von Eiger, Mönch und Jungfrau sind schon aus hunderten von Kilometern Entfernung sichtbar und laden zum Entdecken ihrer Geheimnisse ein. Seit dem 19. Jahrhundert machten sich abenteuerlustige Reisende auf den Weg durch die grünen Alpenhänge und bewaldeten Hügel des Lauterbrunnentals - mit seinen 320 Wasserläufen, davon 72 Wasserfälle - zu den höher gelegenen Dörfern Mürren und Wengen und mit zunehmender Zugänglichkeit auch zu den herrlichen Naturwundern der Gletscher und Gipfel.

Die Anfänge des Schweizer Plakatdesigns sind dem Einfluss berühmter Pariser Plakatgestalter wie Jules Chéret zu verdanken, der bereits in den 1860er Jahren das illustrierte Farblithografieplakat entwickelte. Obwohl Paris als Epizentrum des Plakatdesigns gilt, wurden diese Pariser Entwicklungen auch von anderen Nationalitäten vorangetrieben, wie zum Beispiel von den beiden in der Schweiz geborenen Plakatkünstlern Alexandre Steinlen und Eugène Grasset, wobei Grasset als früher Pionier des Jugendstils gilt.

Die ersten Tourismusplakate der Region - die den europäischen Trends jener Zeit folgten - lockten den Besucher mit handgemalten Montagen von unberührten Landschaftspanoramen und Dörfern mit «typischen und interessanten» kulturellen Motiven. Berge, Trachten, Landwirtschaft und Architektur wurden in naturgetreuen Bildern mit lebhaften Farben dargestellt und mit Fahrplänen ergänzt. Viele dieser frühen Motive wurden im Laufe des nächsten Jahrhunderts zu Ikonen, die absichtlich wiederverwendet und als visuelle Rhetorik eingesetzt wurden, um die «Schweizer Identität» sowohl im In- als auch im Ausland zu stärken.  

Der französisch geprägte Stil dieser Plakate wich schon bald den Innovationen der Schweizer Künstler, Designer und Kunsthandwerker, die innerhalb der nächsten Jahre die Medien mit ihrem eigenen innovativen Stil zu dominieren begannen.

Mit der Vergabe von Konzessionen an unternehmerische Ingenieure und Eisenbahngesellschaften im 19. und 20. Jahrhundert wurde der öffentliche Verkehr im Lauterbrunnental eingeführt, was die Attraktivität der Region erhöhte. Noch ehrgeizigere Projekte sahen die Verlegung von Gleisen entlang der Talflanken bis zu den Dörfern Mürren und Wengen vor, die über scheinbar unüberwindbare Hindernisse hinweg, an der Dörfern vorbei, immer weiter hinauf führten. Diese neue Erreichbarkeit des gefrorenen Geländes der felsigen Abhänge würde wiederum zu individuellen und organisierten Touren in das Gebiet anregen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Eisenbahngesellschaften zu den ersten gehörten, die Plakate in Auftrag gaben, um auf ihr Verkehrsnetz aufmerksam zu machen. Ihr Zielpublikum waren vor allem die britische Freizeitklasse und wohlhabende Ausländer.

Poster 1: Tourist Center

1887
Künstler: F. Gysi (CH, 1863 - 1942)
Lithographie: J. Scotti
Titel: Berner Oberland
Im Auftrag von: Verlag von Albert Schüler und C. Lips, Biel
Druck: Buchdruckerei A. Schüler & C. Lips, Biel
Lithographie: Lithographische Kunstanstalt, Bern
123 cm x 69 cm

Hoch aufragende Berggipfel und darunter grüne Hügel und Täler zeigt eines der ältesten handillustrierten Vedutenplakate des Berner Oberlandes mit Ansichten von Interlaken, Thun, Wengernalp, Meiringen, Mürren, Lauterbrunnen, Oberhofen, Giessbach, Grindelwald und Spiez sowie Bergsteigern, Jägern, einer Europakarte und einem Fahrplan.

In den Anfängen der Schweizer Plakatgestaltung ist viel dem Einfluss berühmter Pariser Plakatgestalter wie Jules Chéret zu verdanken, der in den 1860er Jahren das illustrierte Farblithografieplakat entwickelte. Obwohl Paris als Epizentrum des Plakatdesigns gilt, wurden diese Pariser Entwicklungen auch von anderen Nationalitäten vorangetrieben, wie zum Beispiel von den beiden in der Schweiz geborenen Plakatkünstlern Alexandre Steinlen und Eugène Grasset. Grasset wird als früher Pionier des Jugendstils angesehen.

Informationen zum Künstler:
Fritz Gysi wurde am 16. Februar 1863 in Unterseen geboren. Schon in jungen Jahren zeigte sich sein zeichnerisches Talent. In Vevey absolvierte er eine Lehre als Dekorationsmaler. Anschliessend besuchte er die Kunstgewerbeschule in Bern, wo er sich zum Zeichenlehrer ausbilden liess. Wie viele andere Maler erwarb Gysi das Handwerkszeug zwischen 1887 und 1890 an der Kunstakademie und in verschiedenen Malerateliers in Paris. Er unterrichtete über 50 Jahre lang als Zeichenlehrer an der Gewerbeschule Interlaken. Viele Unterseerinnen und Unterseer kennen Gysi durch seine Federzeichnungen und Aquarelle. Sein Beruf als Zeichenlehrer sicherte Gysi ein festes Einkommen. Für Alex Walter Diggelmann war Gysi Vorbild und Zeichenlehrer.

Poster 2: Tourist Center

1893    
Künstler: Anonym              
Titel: Berner Oberland
Im Auftrag von: Wengernalpbahn, WAB, Wengen
Druck: Institut Orell Füssli, Zürich  
110 x 68,5 cm

Ein einzigartiger Blick auf die beiden herrlichen Täler, die nach Grindelwald und Lauterbrunnen führen, mit gletscherbeleuchteten Berggipfeln, die sich über die tiefgrünen Hügeln erheben.

Dies ist ein weiteres Beispiel für ein handillustriertes Veduten- oder Landschaftsplakat eines anonymen Künstlers, das - schematisch - die Zugänglichkeit zwischen Interlaken, Grindelwald, Grund, Alpiglen, Scheidegg, Wengernalp, Wengen, Lauterbrunnen und Mürren zeigt. Über den Künstler ist nichts bekannt, aber frühe Tourismusplakatgestalter hatten oft eine Ausbildung als Kartographen.

Poster 3: Tourist Center

1895                                                                                                                    
Künstler: Ateliers Frédéric Hugo d'Alési (F, 1849-1906)                                          
Titel: Schweiz - Oberland
Im Auftrag von: Jura-Simplon-Bahn
Druck: F.Hermes d'Alési & Cie., Paris
105,5 x 74 cm                                                    

Diese stilistisch reduzierte Komposition - im Vergleich zu vielen Plakaten, die Alési im gleichen Zeitraum produzierte - zeigt eine Panoramaansicht des Lauterbrunnentals mit dem Fokus auf die Jungfrau, den Schwarzen Mönch, den Staubachfall und das Taldorf Lauterbrunnen. Im Vordergrund ist ein Stier zu sehen, der am Rande eines steilen Abgrunds steht, dahinter ein paar rustikale Berghütten. In Anbetracht des Baubooms von Hotels zwischen den 1880er Jahren und dem Beginn des Ersten Weltkriegs, liegt es auf der Hand, dass das Hauptziel dieser Marketingstrategie der Reiz des Reisens in schöne, unberührte Gegenden Europas war, ohne dass die Bezwingung von Berggipfeln oder Pässen im Vordergrund stand. Sie wurde von den Jura-Simplon-Bahnen in Auftrag gegeben, die 1890 gegründet und 1903 verstaatlicht wurden, um Teil des größten Eisenbahnunternehmens der Schweiz zu werden.

Informationen zum Künstler:
Der Künstler Frédéric Alexianu, bekannt als F. Hugo d'Alesi, war ein französischer Maler und Grafiker rumänischer Herkunft. Er wurde 1849 in Hermannstadt geboren und starb 1906 in Paris. Er ist dafür bekannt, dass er Ende des 19. Jahrhunderts zahlreiche Tourismusplakate für Eisenbahngesellschaften entwarf. In diesen frühen Jahren dominierten die Eisenbahngesellschaften die Aufträge für Reiseplakate.

Poster 4: Tourist Center

1895
Künstler: Anton Reckziegel (A, 1865-1936)
Titel: Wengernalp-Bahn
Berner Oberland, Wengen und Jungfrau, Bahnhof Scheidegg
Im Auftrag von: Wengernalpbahn, WAB, Wengen
Druck: Lith. Kunstanstalt, Hubacher & Cie. AG, Bern
117,5 x 72,5 cm

Reckziegels Plakat zeigt eine idealisierte Darstellung einer ländlichen Utopie von Wengen, wo Mensch und Natur in Frieden und Ruhe leben. Obwohl das Plakat von der Wengernalpbahn in Auftrag gegeben wurde, erscheint die Bahn nicht als störende Präsenz in der Landschaft. Die Beilage, eine kleine Vignette des Hauptmotivs - die Station auf der Kleinen Scheidegg oberhalb des Dorfes Wengen - zeigt ein gemütliches Restaurant, in dem ein Einheimischer in traditioneller Tracht an einem sonnigen Sommertag gut gekleidete Gäste bedient.

Reckziegels detailreiche und gelungene Illustration für dieses Plakat greift das Thema des Plakats von F. Hugo d'Alesi aus demselben Jahr auf, das die weisse Jungfrau oben und die grünen Weiden unten zeigt. Diese Illustration zeigt die Skyline von Wengen vor dem Bau der Hotels (zwischen den Chalets sind jedoch fünf grosse Gebäude zu sehen). Von diesem Standpunkt aus macht es den Eindruck eines gemütlichen, wenn auch dünn besiedelten Dorfes. Wie weiter unten beschrieben, hatte der Bau von Hotelunterkünften im Jahr 1895 für das Dorf jedoch Priorität. Hier eine kurze Liste:

  • 1835 Das erste Gästehaus wird auf der Wengernalp gebaut. (1865 Hotel de la Jungfrau Wengernalp, Konzession der Alpgenossenschaft Wengernalp, später 1958 an Fritz von Almen verkauft).
  • 1840 Gasthaus «Zur Gemse» (später umgebaut als Hotel Bellevue und Hotel des Alpes) auf der Kleinen Scheidegg
    (1859 übernachtete Leslie Stephen - Autor von «The Playground of Europe» - vor seiner Erstbesteigung des Eigerjochs in diesem Hotel auf der Kleinen Scheidegg)
  • 1855 Haus am Kneubach
  • 1859 Lauenerhaus in Innerwengen
  • 1880 Ulrich Lauener Hotel und Pension Wengen in Schiltwald (Kurhaus Wengen)
  • 1881 Alpenrose
  • 1890 Hotel Bellevue
  • 1894 Hotel Regina
  • 1895 Hotel Falken
  • 1898 Hotel Palace-National

Informationen zum Künstler:
Anton Reckziegel wurde 1865 in Gablonz (heute Jablonec, Tschechische Republik) geboren und arbeitete in der Schweiz. Er gilt als einer der größten Reiseplakatgestalter der Schweizer «la Belle Époque».  Er ließ sich in Gablonz und an der Akademie in Graz zum Landschaftsmaler ausbilden und arbeitete anschließend zwei Jahre lang als Kartograph in Wien. Ab 1892 arbeitete er in der Schweiz, zunächst für eine Plakatfirma in Aarau und dann für eine Druckerei in Bern. Reckziegels Plakate sollten ein Jahrzehnt lang die Schweizer Tourismusplakate prägen. Im Jahr 1912 zog er nach Mödling in Österreich und arbeitete dort weiterhin als Landschaftsmaler.

Poster 5: Tourist Center

Circa 1900
Künstler: Taconville (F, 1845-1936).
Titel: Die Jungfrau
Im Auftrag von: La Compagnie des chemins de fer de Paris à Lyon et à la Méditerranée (PLM)
Druck: Imprimerie Courmont Frères, Paris
107,5 x 76 cm

Dieses Plakat von Taconville wurde von der PLM in Auftrag gegeben, die 1857 gegründet wurde und bis zur Verstaatlichung aller französischen Eisenbahnen mit der Gründung der Société Nationale des Chemins de fer Français (SNCF) am 1. Januar 1938 eine der wichtigsten französischen Eisenbahngesellschaften war.

Der Schwerpunkt liegt auf der Zugänglichkeit der Berge und auf der Gastfreundschaft. Ein interessantes Thema, wenn man bedenkt, dass es von einer französischen Eisenbahngesellschaft in Auftrag gegeben wurde, die sich eindeutig für die neuen europäischen Eisenbahnnetze und insbesondere für die am 20. Juni 1893 eröffnete Bahnstrecke Lauterbrunnen-Kleine Scheidegg-Grindelwald einsetzt.

Hier ist die Protagonistin eine gut gekleidete Frau auf einem schönen, gutmütigen weißen Pferd, die scheinbar allein mit ihrem Führer unterwegs ist (ein anderer Wanderer ist unter ihr auf dem Weg zu sehen). Eine einheimische Frau in traditioneller Kleidung reicht ihr auf einem kleinen Teller mitten auf einem felsigen Bergpfad eine Erfrischung. Auch hier ist die Bahnlinie, die vom Weg aus zu sehen gewesen wäre, nicht zu erkennen.

Informationen zum Künstler:
Taconville, ein Pseudonym von Henry Ganier-Taconville, wurde am 29. Juli 1845 in Luneville, Frankreich, geboren. Er war Magistrat, Maler, Plakatgestalter und Illustrator. Nach dem Abitur wurde er Student der juristischen Fakultät in Straßburg. Während des Deutsch-Französischen Krieges trat er als Leutnant in das 2. Bataillon von Haut-Rhin ein und beendete seine Karriere 1872 als Untersuchungsrichter in Nancy, wo er sich der Malerei und Illustration widmete. Mehr als 30 Jahre lang entwirft er Plakate für die PLM.

Poster 6: Tourist Center

1927
Künstler: Karl Bickel (CH, 1886-1982)
Titel: Trümmelbach, Lauterbrunnen
Im Auftrag von: Kur- und Verkehrsverein Lauterbrunnen
Druck: Graphische Anstalt J.E. Wolfensberger, Zürich
128 x 90,5 cm

Das Plakat des Schweizer Designers Karl Bickel aus dem Jahr 1927 zeigt eine modernistische Interpretation des Themas «oben weiß und unten grün». Hier konzentriert sich der Designer/Künstler auf den mächtigen Abfluss des geschmolzenen Eises und Schnees von Eiger, Mönch und Jungfrau ins Lauterbrunnental. Im Lauterbrunnental, kurz vor Stechelberg, stürzt der Trümmelbach die steile innere Felswand hinunter ins Tal. Der Bach, der die Gletscher von Eiger, Mönch und Jungfrau entwässert, hat eine Schlucht in die Felswand erodiert. In dieser Schlucht stürzt der Bach über zehn Wasserfälle und überwindet dabei einen Höhenunterschied von 140 Metern.

Bickels Plakat spiegelt seine freie künstlerische Entwicklung mit stilistischen Einflüssen des Jugendstils, des Kubismus und des Expressionismus wider, wobei auch der Einfluss der monumentalen Bildsprache Hodlers deutlich wird.

Informationen zum Künstler:
Karl Bickel wurde 1886 in Zürich geboren und starb 1982 in Walenstadtberg, Schweiz. Er absolvierte von 1900 bis 1904 eine Lehre als Lithograph und Druckplattenzeichner bei Paul Bleuler und trat danach in die Grafische Anstalt Hüttner ein. Danach besuchte er Abendkurse bei Eduard Stiefel an der Kunstgewerbeschule Zürich. Im Alter von 22 Jahren eröffnete er sein eigenes grafisches Atelier. Die Tuberkulose zwang Bickel zu einer Kur in Walenstadtberg. Nach seiner Genesung konnte er 1914 nach Zürich zurückkehren, wo er ab 1917 in enger Zusammenarbeit mit der Graphischen Anstalt J. E. Wolfensberger Plakate entwarf. Die Briefmarkengravur für die PTT wurde nach 1933 seine Haupteinnahmequelle.

Bereits 1909 wurden Bickels Pastelllandschaften in einer Ausstellung im Kunsthaus Zürich gewürdigt. Ab 1950 widmete sich Bickel ganz der Kunst.